Wegen des „Theaterwettbewerbs in Wien zwischen Schikaneder und Marinelli ließ Schikaneder gern neue Opern actweise von mehreren Musikern zu gleicher Zeit componiren; um einheitliche Auffassung war es ihm weniger zu thun wie um die baldige Premiere. Diese praktische Methode wurde bald von andern nachgeahmt. „Man bauete an diesen Opern wie an einem Hause!“ sagt ein alter Theateralmanach. So ließ Schikaneder auch 1796 den ersten Act seiner eben gedichteten Oper „Babylons Pyramiden“ von G., den zweiten zugleich von Peter v. Winter componiren. Die seltsame Thatsache dieser Doppelcomposition ist keineswegs durch Gallus‘ Faulheit zu erklären. G. hat sich im Gegentheil um die ihm gewordene Arbeit ernstlich gekümmert und die phantastischen Ungeheuerlichkeiten Schikaneder’s, darunter ein nächtliches Gewitter im Walde und die Hinrichtung einer Sünderin durch wilde Tiger auf offener Scene hat er mit großer Sorgfalt musikalisch zu illustrieren gesucht. Die auf der Verbindung kindlichen Humors mit unbegrenzt ins Weite strebender Phantasie beruhende Zauberoperette scheint so recht seinem Geschmack entsprochen zu haben. (aus Deutsche Biographie)
Die Absicht, vermittelst eines effektlüsternen Titels an den Ruhm der von Erfolg gekrönten Zauberflöteunmittelbar anzuschließen, war (um es mit Schikaneders Worten zu sagen) edel, lauter und rein.
Versuche Schikaneders, sich ohne direkten Bezug zum Sujet an den leuchtenden Kometenschweif der Zauberflöte anzuheften, gab es früh: Die Waldmänner (1793, Henneberg), Der Höllenberg (1795, Wölfl), Der Spiegel von Arkadien (1794, Süßmayr). Mit der Schaffung eines echten Sequels befasste sich wohl als erster niemand geringerer als Johann Wolfgang von Goethe: 1795 begann er mit der Arbeit an einer Fortsetzung des Zauberflötenstoffes, ebenfalls unter dem Arbeitstitel „Der Zauberflöte zweyter Theil„. Der Text blieb Fragment und qualifiziert sich allenfalls zur Vorstufe eines Librettos. Carl Friedrich Zelter (1758-1832) hielt das „Libretto“ für vertonbar und empfahl es Karl Eberwein 1816 ausdrücklich zur Vertonung, wie Waldura eruierte. Von Zelters Kompositionsansätzen ist lediglich die Existenz einer Ouvertüre verbürgt, behauptet Wikipedia ohne Quellenangabe. Der von Goethe skizzierte Plot will sich dann meinem bescheidenen persönlichen Empfinden nach auch nicht recht in die Zauberflötenwelt integrieren, stellt sich mir als unwegsam und wenig geeignet dar: daß Sarastro dem bislang kinderlosen Paar Papageno und Papagena aus einem goldenen Ei drei Küken herzaubert, mag gerade noch mit sehr viel Goodwill durchgehen … daß aber das inzwischen geborene Kind Paminas und Taminos in einem Sarg versteckt wird, der ständig in Bewegung bleiben muß, damit das Kind nicht verstirbt … also echt: Ach, du meine Goethe! Zum 100. Todestag Mozarts führte der Liszt-Schüler Karl Eduard Goepfart die Oper Sarastro auf, die das Goethe-Fragment integrierte und durch den Librettisten Gottfried Stommel erweitert wurde.
Vorher jedoch hat aber Schikaneder selbst das Potential der Zauberflöte erkannt, brachte „Das Labyrinth – der Zauberflöte zweyter Theil“, danach d kam er zusammen mit Johann Mederitsch, genannt Gallus (Akt 1) und Peter von Winter (Akt 2) 1797 mit seiner zweiten (Kon)Sequenz an den Markt: Die Pyramiden von Babylon.
Ellenberger.institute hat am 22. Dezember 2024 das Manuskript des Salzburger Mozarteums mit dem 1. Akt, leider ohne Ouvertüre und ab Priestermarsch ohne Partitur digitalisiert und veröffentlicht, siehe SHOP. Sobald eventuell weiteres Material für den 2. Akt vorliegt, wird es zeitnah ebenso elektronisiert und veröffentlicht. Bis dahin muß der Klavierauszug reichen, so daß diese Situation in einer Hybrid-Partitur für den 1. Akt resultiert, einer Mischung aus Partitur und Klavierauszug. Käufer bekommen von zukünftigen Ergänzungen automatisch das „update“ gratis!
Es handelt sich, wie bei der Vorlage zur 1791er Zauberflöte (Der Stein der Weisen) um ein Potpourri-Werk, wie es Schikaneder oftmals mit großem Aufwand zu produzieren pflegte.
Personen:
Die Königin von Babylon
Artandos
Pitagoleus, dessen Freund.
Ragunka, Deuterin des Landes.
Cremona, ihre vermeinte Tochter.
Senides, Oberpriester.
Timoneus, Babylonischer Held, Sohn des Senides
Saleutos, junger Priester, Sohn des Senides
Forte, Haupt der Tygerknechte und Aufseher der Pyramiden.
Piana, sein Weib
Ischiros.
Kakos.
Kophos.
Handlung:
Handlung:
1. Akt (komponiert von Johann Mederitsch)
No. 1 Führst du mich wohl gar zur Hölle?
Artandos und Pitagoleus gehen zur Seherin Ragunka und ihrer Tochter Cremona, die ihnen beiden eine düstere Zukunft mit Tod vorhersagen, weil sie politisch zu viel für sich wünschen, trotz anfänglicher Erfolge.
No. 2 Ein gutes Kind sagt ohne Scheu Arie der reinen und tugendreichen Cremona
Das einfache Paar (wie in der Zauberflöte Papageno und Papagena) heißt mit musikalischer Ironie: Piana und Forte. Forte erklärt seine naturalistischen Weltanschauungen No. 2a Forte Hat einer nur Philosophie No.2b Forte Du guter schöner Mond willkommen
Die Brüder Timoneus und Seleutos gehen in den Tempel, Timoneus überredet ihn, heimlich seine Trauung mit Cremona als Priester zu vollziehen: No. 3 Hier, Bruder, wohnet meine Schöne No. 4a Terzett Komm Holdeste der Schönen
Piana und Forte bringen einen handfesten Ehestreit mit Eifersuchtsdrama im Duett No 4b Heute sind es gerade drey Wochen No. 4c Ha, Verräther, ich verstehe
Finale I Fortsetzung des Terzetts: Es ist geschehen, wir sind/ihr seid verbunden Terzett: Frohlocket, lieben Freunde
Piana und Forte finden den Schlüssel (sehr symbolisch!) nicht Sagt mir ihr guten Götter
Oberpriester Senides, Vater der beiden Söhne: No. 5c Mein Sohn ruf‘ die Herolde her No. 5d Sendet uns ihr guten Götter
Artandos will sich bei Senides Zutritt zum Tempel und zur Königin erzwingen und sie zur Heirat überreden No. 5 e Senides! Weile! Hör mich an! und droht ihm: Mein Schwerdt blitzt über deinem Haupt! scheitert jedoch am Fluch durch Senides: No. 5e+ Der Fluch hat meinen Arm gelähmet
Senides ruft die Königin vor versammeltem Volk rituell zur Wahl ihres Gatten auf, des zukünftigen Königs No. 5f Du Landesmutter! Königin! und die Königin wählt nicht Artandos aus, sondern den (bereits heimlich verheirateten) Timoneus.
Dann unterbricht Ragunka sie: No. 5g Königin! Hör meine Klagen und es kommt durch Cremonas Schleier, den Forte gefunden hat, heraus, daß Cremona und Timoneus gesetzeswidrig im Tempel waren, wodurch Cremona sterben soll.
Forte erkennt, daß er ihr mit seinem Fund geschadet hat und beichter seinem Weib Piana: No. 5h Forte Ach Weib, ich hab was Dummes gemacht
Cremona tröstet ihn, sie steht in ihrer Liebe über dem Tod. Sie soll den Tigern zum Fraß vorgeworfen werden, diese werden durch den Zauber ihrer Mutter, Ragunka, verjagt, das Volk feiert das Wunder und das Überleben von Cremona.
2. Akt (komponiert von Peter von Winter)
Artandos und Pitagoleus wollen Revolution, um an die Macht zu kommen, die Königin hat sie sogar durch Überreichung eines Dolches beauftragt, Timoneus zu tüten, der ihr gestanden hat, daß er des Thrones unwürdig sei. No. 6 Höret ihr desVolkes Wonne?
Szenenwechsel: Cremona findet zum Tempel, Rec. + Arie No. 7 Wo bin ich? Ha, da ist die Pyramide Ohne Mutter, ohne Gatten, bin ich Arme ganz allein
Auch Timoneus wähnt sich alleinegelassen: No. 8 Cremona! Holdes Mädchen, ach erscheine Wer die holde Liebe kennet
Sie treffen durch Ragunka im Tempel aufeinander und gestehen ihr die heimliche Heirat. Dann werden sie durch die Königin, Artandos und Pitagoleus überrascht und gefangengenommen, um der Todesstrafe zugeführt zu werden. Diese muß vom Oberpriester, also Timoneus‘ Vater unterzeichnet werden, was ihn als Vater des zu Verurteilenden in Konflikt bringt:
Finale II No. 10 Artandos, Senides, Priester, alle Komm, Oberpriester, wir erwarten dich schon lange
Die Königin, die ja ihren erwünschten Gatten verloren hat, bedauert sich selbst: Rec. Wohin wird die Verzweiflung mich noch bringen? Arie Hinein im Ruhplatz stiller Schatten!
Wieder rettet Ragunka ihre Tochter und Timoteus durch ihren Zauber vor den Flammen.
Piana und Forte finden sich wieder: Duett Lieber Mann! Komm, gehen wir weiter
Von Artandos wird berichtet, daß er sein durch Gewalt errungenes Ansehen verloren hat und als Wahnsinniger umherirrt, Rec. Ist’s möglich! Man schließt mich vom Tempel aus Arie Wird man meinen Mord entdecken?
Dann finden sich alle glücklich vereint wieder, das Paar darf sich lieben: Ensemble O liebe Eltern! Theure Kinder!
und der Chor macht den Abschluß mit Fluch drücke ewig seine Erde und Durch Göttergnade Glück und Heil!
First performance 25. Oktober 1797 Freihaustheater auf der Wieden Wien.